Zur Auszählung des Mitgliedervotums war auch Jacob von den Jusos Aschaffenburg nach Berlin gereist.
Anreise
Tatsächlich ist es so, dass die SPD die Reisekosten der Freiwilligen Helfer vollständig übernimmt, von daher bin ich recht entspannt mit dem ICE von Würzburg nach Berlin gefahren. Am Willy-BrandtHaus angekommen mussten wir uns ausweisen und unsere technischen Geräte (also auch die Handys) einschließen. Dann ging es auch schon zur Einweisung im Foyer.
Einweisung
Zunächst hat der Schatzmeister der SPD, Dietmar Nietan, als Vorsitzender der Mandatsprüfungs- und Zählkommission (MPZK), sich bei uns bedankt. Er wird in der Nacht mit der MPZK die Auszählung überwachen, Stichproben nehmen, über strittige Stimmzettel entscheiden und am Ende alles zusammenrechnen und das Ergebnis verkünden.
Anschließend haben uns Jessica Wischmeyer und eine Mitarbeiterin genauer in den Ablauf der Auszählung eingeführt. Um 8 Uhr beginnen zwei Schlitzmaschinen, bedient von insgesamt 10 Freiwilligen, die Wahlumschläge im Keller des WBH zu öffnen. Die Maschinen können 40000 Briefe pro Stunde bearbeiten und liefen bis ca. 4 Uhr nachts.
10 Helfer sind als sogenannte Logistiker bzw. Springer eingeteilt. Ihr Job ist es die geöffneten Briefe in den Hans-Jochen-Vogel-Saal zu bringen. Dort beginnen dann ab 9 Uhr ca. 50 Sozialdemokraten zu sortieren: In eine Box eindeutige Ja-Stimmen, in eine Box eindeutige Nein-Stimmen, in eine Box eindeutige ungültige Stimmen und in eine Box strittige Stimmen. Dabei sind die Richtlinien ziemlich streng: Eindeutig ungültig sind faktisch nur Stimmzettel die a) komplett leer, b) durchgestrichen oder c) mit zwei Kreuzen versehen sind. Alles andere kommt in die „strittig-Box“. Diese wird von der MPZK regelmäßig geleert und auf deren Tischen fällt anschließend die Entscheidung wie die Stimmzettel zu werten sind.
Um 10 Uhr beginnen dann die Zähler sortenreine Stimmzettel zu zählen, in einen großen Umzugskarton zu werfen und das Ergebnis zu vermerken. Dabei arbeiten sie nach dem Vier-AugenPrinzip: Zähler 1 nimmt 10 Stimmzettel aus der Box, gibt diese an Zähler zwei, der nochmal nachzählt, die Zettel in den Umzugskarton wirft und ein Zehnerkästchen auf dem Blatt ankreuzt, oder im Zweifelsfall die Zettel zurück an Zähler 1 gehen lässt, der diese dann erneut nachzählt. Die vollen Umzugskarton mit dem Auszählungsbogen werden dann von der MPZK abgeholt und
stichprobenartig untersucht. Ich wurde den Zählern zugeteilt.
Auszählung
Bevor wir unsere Schichten antreten gibt es allerdings erstmal ordentlich etwas zu Essen. Das Catering war den ganzen Abend über sehr gut und hat um Mitternacht ein zweites Abendessen angeboten, ab fünf gab es dann Frühstück.
Dann heißt es allerdings erstmal warten bis die Schicht beginnt. Dafür gibt es neben dem Raum mit dem Essen extra einen Aufenthaltsraum mit schier unzähligen Brettspielen und sogar einer Wii. Um zehn geht es dann allerdings los und wir merken recht schnell, wie der Entscheid enden wird, an unserem und an allen umliegenden Zähltischen sind die No-Groko-Auszähler viel früher fertig als die Auszähler der Pro-Groko-Fraktion. Jessica Wischmeyer hat uns zwar versprochen, wir würden auf Grund der Arbeitsteilung wenig Einblicke in den Stand der Auszählung erhalten, tatsächlich sind für uns alle das Ergebnis schon nach einer Stunde klar.
Nach dieser Stunde müssen wir dann auch nicht mehr zählen, die Sortierer kamen einfach nicht hinterher und wir werden zum Helfen bei den Sortierern beordnet. Das erweist sich als sehr glücklich, bekommt man bei den Sortierern doch besonders lustige Exemplare an Stimmzetteln zu Gesicht die uns immer wieder aus der Monotonie des Briefeöffnens, Wahlscheinansehens und Wahlscheinsortierens reißt.
Während der ganzen Auszählung nehmen Mitglieder der MPZK Stichproben aus der Box für ungültige Stimmen, nehmen unser strittigen Zettel mit (mit manchen MPZK-lern haben wir Spaß beim durchlesen diverser Wutbriefe, die mit Post-it’s an den Wahlschein geheftet wurden, betrachten Zeichnungen und freuen uns über lustige Arten des Ankreuzens.
Leider sind solche Momente dann doch viel zu selten und alles wird irgendwann sehr ermüdend. Ab und zu trinke ich einen schwarzen Tee und als irgendwann um 5 nicht einmal das mehr zu helfen scheint, gehe ich in den Ruheraum und lege mich für zwei Stunden auf eine der bereitgestellten Luftmatratzen.
Für die Zeit nach der Auszählung haben die Organisatoren des Referendums für uns auch noch Hotelzimmer gebucht in denen man mittags hätte schlafen können, gemacht habe ich das dann aber nicht.
Ergebnis
Um Sieben geht es dann weiter und um Neun sind schließlich alle Stimmen ausgezählt. Wir werden angewiesen nicht laut zu Jubeln, wenn das Ergebnis verkündet wird und uns noch nicht an die Balkone zu stellen, von denen man ins Foyer schauen kann, wo das Ergebnis vor sehr vielen Pressevertretern verkündet werden wird, um eben diese nicht nervös zu machen. Natürlich gehen wir trotzdem an die Balkone und unterhalten uns leise darüber, wie es denn wohl ausgehen kann. Die Schätzungen reichen von zwei Dritteln zu einem Drittel bis zu 80 zu 20. Unter den Auszählern befinden sich übrigens erstaunlich viele Groko-Gegner, die wie ich auch während der Auszählung ein wenig leiden mussten. Das Ergebnis von 66,02% erstaunte uns dann doch ein wenig, die meisten hätten von den Auszählerfahrungen ehr mit einem Ergebnis um die 70-75% Pro-GroKo gerechnet. Als Dietmar Nietan dann das Votum verkündet applaudiert auch niemand, wahrscheinlich sind wir dann doch zu erschöpft und irgendwo auch enttäuscht.
Mit uns auf den Balkonen stehen übrigens Lars Klingbeil und Andrea Nahles die anschließend zusammen mit Olaf Scholz sich nochmal bei uns alles für das Auszählen bedanken, mit uns für ein Foto posieren und sich noch eine Weile mit uns unterhalten. Lars Klingbeil sehe ich später nochmal zufällig, wie er das Video für den WhatsApp-Newsticker aufnimmt. Als ich dann das Willy-BrandtHaus verlasse treffe ich auch noch kurz Kevin-Kühnert. Und dann geht es endlich nach Hause in ein ordentliches Bett.